Warum die Niederländer weltweit am besten Englisch sprechen
Sie sind beeindruckend gross. Sie fahren überall mit dem Fahrrad hin, und das ohne Helm. Sie haben ihr Land dem Meer abgetrotzt. Und nun sind sie wieder die Weltbesten in Englisch. Im jüngsten EF English Proficiency Index (EF EPI) Ranking stehen die Niederländer an oberster Stelle von 100 Ländern, wenn es um die Englischkenntnisse geht. Vielen ist das Land vor allem für seine Windmühlen, Coffeeshops und Tulpen bekannt, aber dieses Ergebnis wirft doch vor allem eine Frage auf: Warum haben die Niederländer so gute Englischkenntnisse?
Kleines Land, grosse Klappe/Stimme
Dieses winzige Land mit gerade einmal 17 Millionen Einwohnern spielt in vieler Hinsicht weit über seiner Gewichtsklasse: Nach Angaben des IMF verfügt es über das siebzehnthöchste Bruttoinlandsprodukt der Welt und das siebthöchste der EU. Während Länder in Südamerika oder im Nahen und Mittleren Osten sich auf das Marktpotential grosser spanisch- und arabischsprachiger Volksgruppen weltweit verlassen können, um ihr Wachstum anzukurbeln, besitzt das Niederländische nur 27 Millionen Muttersprachler. Um weltweit wettbewerbsfähig zu sein und den Zugang zum globalen Markt der 2 Milliarden Englisch-Muttersprachler zu sichern, haben die Niederländer das Erlernen der englischen Sprache zur Priorität gemacht.
Brad Pitt und Fred Feuerstein sprechen Englisch
In den Niederlanden werden Fernsehserien und Filme aus dem Ausland nicht synchronisiert. Als Folge davon wachsen holländische Kinder umgeben von Englisch auf, denn sie hören die Sprache von klein auf in allen Bereichen der populären Kultur. Länder wie Deutschland und Frankreich besitzen eine zahlenmässig grössere Zielgruppe für Fernsehsendungen und Filme in der Landessprache, daher wird dort alles synchronisiert, was dazu führt, dass das Englische weit weniger in den Alltag und das kulturelle Leben integriert ist. Die Synchronisierung scheint die Leute sprachlich taub für Fremdsprachen zu machen. Dieses Problem haben die Niederländer erfolgreich vermieden.
Wo die Geschäfte laufen, da ist Englisch nicht weit
Die Niederländer waren schon immer geschäftstüchtig: Die holländische Ostindien-Kompanie wurde 1602 als erster multinationaler Konzern der Welt gegründet. Im selben Jahr wurde in Amsterdam auch die erste moderne Börse etabliert, um den internationalen Handel zu erleichtern. Das geschäfts- und handelsfreundliche Erbe des Landes lebt auch heute noch fort, was daran ablesbar ist, dass viele weltbekannte multinationale Unternehmen ihren Hauptsitz in den Niederlanden haben (etwa Royal Dutch Shell, Unilever, Heineken und IKEA). In den Niederlanden kann man eine Eigendynamik beobachten, die es sich nachzuahmen lohnt: Sehr gute, weitverbreitete Englischkenntnisse stärken die Wirtschaft, was wiederum den Einzelnen dazu motiviert, sich entsprechend fortzubilden, und schließlich dafür sorgt, dass das Land über die besten Englischkenntnisse der Welt verfügt.
Der sprachliche Vorteil
Lange vor der Einführung von Sprachkursen und dem EF English Test, besassen die Niederländer bereits einen Vorsprung aufgrund ihrer sprachlichen Vorfahren. Holländisch gehört genau wie Englisch zu den germanischen Sprachen, daher haben beide gemeinsame Wurzeln und Eigenschaften. De? The. Bier? Beer. Wafel? Waffle. Viele Sprachfamilien hätten Schwierigkeiten, sich am Esstisch zu unterhalten, aber in diesem Fall gibt es genügend Ähnlichkeiten, die es den Niederländern ermöglichen, schnell und leicht Englisch zu lernen.
Die Niederländer haben enorm von ihren sehr guten Sprachkenntnissen profitiert. Man darf daran erinnern, dass New York einst New Amsterdam hiess: Die abenteuerlustigen und risikobereiten Holländer waren schon immer ein Land mit globalen Ambitionen. Jene Länder, die ein Stück weiter unten auf dem Ranking-Treppchen des EF EPI stehen, sollten sich eine Scheibe von diesem Ehrgeiz abschneiden. Holland ist ein grossartiges Beispiel dafür, wie die Fremdsprachenkenntnisse eines Landes zu dessen weltweiter Wettbewerbsfähigkeit beitragen und sicherstellen können, dass dies auch in Zukunft relevant bleibt.
[Jetzt kann ich es ja verraten: Die Autorin dieses Artikels ist mit einem Holländer verheiratet, der exzellent Englisch spricht.]